Dampflok

Dampflokomotive NIEDERSACHSEN:
NVR 90 80 0089 989-2 D-EHH
3-fach gekuppelte Nassdampf-Tenderlok
Hersteller: Henschel & Sohn, Kassel
Loktyp: Bismarck
Fabriknummer: 19248
Baujahr: 1922
Bauart: Cn2't
Dienstgewicht: 42000 kg
Länge über Puffer: 9200mm
Indizierte Leistung: 400 PSi
Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h
Treibraddurchmesser: 1100 mm
Rostfläche: 1,36 m2
Heizfläche: 55,67 m2
Kesselüberdruck: 13 bar
Wasservorrat: 6 m3
Kohlevorrat: 1,6 t

Die Geschichte unserer HENSCHEL BISMARCK 19248 / 1922
(recherchiert und verfasst von Holger Jansen)
Nahezu jede deutsche Lokfabrik hatte seinerzeit eine dreifach gekuppelte Tenderlok im Angebot. Bei der Firma Jung war es, unter anderem, der Typ „Pudel“, bei Hohenzollern gab es die „Crefeld“ (alt & neu), die vielen preußischen T3 nach beiden Musterblättern nicht zu vergessen, und natürlich die „Bismarck“ von Henschel...
Erstmals, lt. Lieferliste, 1904 gebaut, wurde sie schnell weiterentwickelt. Die Kessellage wurde erhöht und sie erhielt gegenüber ihren Vorgängerinnen eine Heusinger-Steuerung. Man unterschied hier die Bismarck-Typen „Alt“ und „Neu“. Henschel-Loks genossen Weltruf und waren für ihre einfache Bedienung und für ihre große Robustheit geschätzt. So verwundert es nicht, dass die Bismarck als Museumslok bei verschiedenen Museumsbahnen, als Zechenlok, als Privatbahnlok, als Werkslok in der ehem. DDR oder als DR-Staatsbahnlok überall zu finden war! Leider hat sich jedoch die Modellbahnindustrie dieser interessanten Loktype noch nicht angenommen. Sie fehlt leider auf heimischen Modellbahnanlagen...
Leider hat sich bis heute kein bekanntes Bild aus der Frühzeit unserer Lok retten können. Aber ein Bild ihrer Schwester können wir trotzdem vorweisen. Das Bild (im Seitenabsatz) wurde mit viel Glück bei einer Auktion erworben. Es zeigt die, um eine Fabriknummer niederige, Schwesternlok 19247/1922 vermutlich in Heinrichshall. Geliefert wurde sie allerdings an die Harkortsche Bergwerkgesellschaft, Haspe für die Zeche Trappe, Wetter-Silschede. Das Bild ist vermutlich in den dreißiger Jahren des vorherigen Jahrhunderts bei einer Feierlichkeit aufgenommen worden. Interssant ist, neben den Petrolium-Laternen, dass die Lok keine Luftpumpe besitzt, obwohl die Befestigungen am Kessel dafür vorhanden sind.
Hier ein Auszug aus der Henschel-Lieferliste (zusammengestellt von Dietmar Stresow). Es zeigt unsere Bismarck mit ihren unmittelbaren Schwesternmaschinen und deren Eigentümer:
Fabr.Nr. Bauj. Typ Achsfolge Spurweite Geliefert an:
D 19225 1922 Bismarck Cn2t 1435 neu Zeche Graf Beust, Essen "GRAF BEUST 3" /=> Zeche Mathias Stinnes, Essen
D 19226 1922 Bismarck Cn2t 1435 neu Harpener Bergbau AG, Dortmund / Zeche Robert Müser, Bochum-Werne "HARPEN XXVI" (12.1935iE)
D 19227 1922 Cn2t 1435 neu Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft, Hamburg
D 19233 1922 Ct 1435 neu Farbwerke Hoechst
D 19234 1922 Bismarck Cn2t 1435 neu Essener Steinkohlenwerk für Vereinigte Pörtingssiepen, Essen-Fischlaken "PÖRTINGSSIEPEN V" /19.. Zeche Monopol, Kamen (leihw.) /195. Zeche Dahlhauser Tiefbau, Bochum-Dahlhausen "V" /1956 WLH - Westfälische Lokfabrik Reuschling, Hattingen "59" /1957 Zeche Sachsen, Hamm-Heeßen +1966
D 19235 1922 Bismarck Cn2t 1435 neu Essener Steinkohlenwerk für Zeche Dorstfeld, Dortmund-Dorstfeld "III"
D 19236 1922 Cn2t 1435 neu Prignitzer Eisenbahn / Klb Freienwalde-Zehden "4" => "5-20" /1946 Südstormarnsche Krb "5-20" +1952
D 19247 1922 Bismarck Cn2t 1435 neu Harkortsche Bergwerkgesellschaft, Haspe für Zeche Trappe, Wetter-Silschede
D* 19248 1922 Cn2t 1435 neu Gemeinschaftskraftwerk Hattingen/Ruhr "1" /1973 DEW - Dampfeisenbahn Weserbergland, Rinteln "3" /1987 EF Hasetal, Haselünne "NIEDERSACHSEN"
D 19249 1922 Cn2t 1435 neu Thyssen AG, Mühlheim
Nach Aufgabe des Kraftwerkes wurde auch unsere Lok 1971 arbeitslos. Damals interessierte sich die Museumseisenbahn „Dampfeisenbahn Weserbergland e.V“ für diese Lok, erwarb sie 1973 und setzte sie, nach einer Hauptuntersuchung im BW Hannover, vor ihren Museumszügen auf der Strecke Rinteln – Stadthagen der Rinteln-Stadthagener Eisenbahn (RstE) ein. Die nachfolgenden fünf Fotos stammen von unserem Mitglied Joachim Behrens aus Osnabrück, der die Lok im Juli 1977 dort fotografierte:

Während ihrer Dienstzeit bei der DEW ragten zwei Ereignisse besonders aus ihrem Lebenslauf hervor:In der Verfilmung des Romans “Fabian” von Erich Kästner, vom berliner Regisseur Wolf Gremm, hatte sie im Sommer 1979 ihren großen Filmauftritt. Der Film lief ab dem 24.04.1980 in den Kinos.
Ein weiteren Höhepunkt ihrer Karierre erlebte sie vom 16. bis 24. April 1980. Die Lok wurde mittels Culemeyer-Straßenroller, als Ausstellungsstück, zur Hannover-Messe gefahren. Dort wurde sie auf einem kleinen Gleisstück bei einer Sonderveranstaltung als “Energieträger Kohle” an neun Tagen unter Dampf ausgestellt und zog dabei viele tausende Blicke auf sich...
Wie die Geschichte weitergeht, wissen wir: Die Eisenbahnfreunde Hasetal e.V. hatten, kurz nach ihrer Vereinsgründung, das besondere Glück, diese Lok und fünf Wagen von der Dampfeisenbahn Weserbergland zu kaufen. Im Jahre 1988 wurde der Zug nach Haselünne überführt und anschließend betriebsfähig aufgearbeitet.
Zum Schluss noch einige Anmerkungen zu den anderen noch erhaltenen Maschinen des Typ Bismarck “neu”:
Fabr. Nr. / Bj. Eigentümer in Folge
6676 – 1904 - Marburger Kreisbahn Nr. 1- Eisenbahnfreunde Wetterau, Bahn Nauheim Nr. 1,
(zur zeit in HU)
13075 – 1918 - Zeche Erin Nr. 5 - Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn,
(zur Zeit in Aufarbeitung)
19248 – 1922 - Gemeinschaftswerk Hattingen Nr. 1 (Kraftwerk) - Dampfeisenbahn Weserbergland e.V. Nr. 3
- Eisenbahnfreunde Hasetal, Haselünne e. V., „Niedersachsen“
betriebsfähig
20142 – 1923 - Zeche Pörtingsiepen Nr. VI - Seit 1972 Denkmal Bergbau AG Lippe, Gladbeck, 2008 verkauft an Privat (betriebsfähige Aufarbeitung ist vorgesehen)
20143 – 1923 - Zeche Pörtingssiepen Nr. VII - Verein zur Erhaltung der Hespertalbahn e. V. Essen, Pörtingssiepen VII,
(Aufarbeitung vorgesehen)
Bei der Erstellung dieser Geschichte haben freundlicher Weise mitgewirkt: Herbert Schambach, Dr. Joachim Leitsch, Joachim Behrens, Jörg Eberhard, Dietmar Stresow ... ihnen ein freundliches Dankeschön!
Holger Jansen